#76 - KI und Inklusion am Arbeitsplatz, Teil 1: KI-gestützte Assistenzsysteme

Shownotes

In „Chatbots und KI“ diskutiert Thomas Bahn mit interessanten Gästen aus Wirtschaft und Wissenschaft über Nutzen, Anwendungen und Erfahrungen aus den Bereichen Chatbots und Künstliche Intelligenz.

Thema der heutigen Folge: Heute, am 15. Mai, ist der Global Accessibility Awareness Day. Ein Tag, der dazu anregen soll, über digitale Barrierefreiheit und Inklusion sowie über die mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen zu sprechen, nachzudenken und zu lernen. Auch wir wollen unseren Beitrag dazu leisten und diesen Tag zum Anlass nehmen, uns näher damit zu beschäftigen, wie Künstliche Intelligenz Barrieren abbauen und Zugänglichkeit schaffen kann.

In dieser Folge reden wir deswegen mit Barbara Lippa und Michael Thieke-Beneke vom Forschungsprojekt KI-Kompass Inklusiv darüber, was mit KI-basierten Assistenztechnologien heute schon konkret möglich ist, welche Herausforderungen beim Einsatz dieser Technologien zu meistern sind und wo man sich weiter zum Thema informieren kann.

Zeitstempel: 00:00:00 Intro 00:01:06 Vorstellung Michael Thieke-Beneke 00:02:07 Vorstellung Barbara Lippa 00:04:08 Projektvorstellung - KI-Kompass Inklusiv 00:08:50 Warum sollte sich jeder mit Barrierefreiheit auseinandersetzen? 00:10:39 Innovationen für Menschen mit Behinderungen 00:12:45 Wo kann KI helfen, Barrieren abzubauen? 00:17:55 App für blinde Menschen - Be My Eyes 00:27:09 Textverarbeitung für Menschen mit Behinderungen - Goblin Tools 00:32:09 Outro

Weitere Informationen:

Mehr zum Projekt KI-Kompass Inklusiv www.ki-kompass-inklusiv.de

Verbundpartner KI-Kompass Inklusiv www.dfki.de www.bv-bfw.de www.bagbbw.de www.bagwfbm.de

Vorgestellte KI-Tools für Menschen mit Behinderung www.bemyeyes.com www.goblin.tools

Gehörlose und Schriftsprache https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Information-und-Kommunikation/Gebaerdensprache/gebaerdensprache_node.html

Statistiken zu Menschen mit Behinderungen und inklusiver Arbeitsmarkt https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24281227.html

Infos und Statistiken zum Technologie-Monitor https://ki-kompass-inklusiv.de/wissen/ki-gestuetzte-assistenztechnologien-fuer-menschen-mit-behinderungen/

Heute zu Gast: Barbara Lippa ist Expertin für KI und Inklusion am Arbeitsplatz. Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin arbeitet als Senior-Referentin im Forschungsprojekt KI-Kompass Inklusiv. https://www.linkedin.com/in/barbara-lippa-76133031/

Michael Thieke-Beneke ist Experte für KI und Inklusion am Arbeitsplatz. Der studierte Industriedesigner ist Projektreferent im Forschungsprojekt KI-Kompass Inklusiv.iv. https://www.linkedin.com/in/michael-thieke-beneke/

Über Thomas Bahn: Thomas Bahn ist Geschäftsführer, Mitgründer und Gesellschafter der assono GmbH. Seit mehr als 25 Jahren berät er deutschlandweit erfolgreich Unternehmen rund um die Themen Software und Digitalisierung. Als Host des Podcasts „Chatbots und KI“ diskutiert Thomas Bahn mit interessanten Gästen aus Wirtschaft und Wissenschaft über Nutzen, Anwendungen und Erfahrungen aus den Bereichen Chatbots und Künstliche Intelligenz.

Produktion: Johannes Göttsch ist im Marketing von assono tätig und produziert den Podcast Chatbots und KI.

Bei Fragen oder Anmerkungen freuen wir uns auf Ihre Nachricht an podcast@assono.de

Der Podcast wird präsentiert von assono - Wir entwickeln Chatbots, mit denen sich Menschen gerne unterhalten.

In 3 Schritten zum eigenen KI-Chatbot-Projekt

  1. Informieren Sie sich über das Chatbot-Angebot von assono
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Transkript anzeigen

00:00:00: Hallo und herzlich willkommen zu Chatbots und KI.

00:00:03: Mein Name ist Thomas Bahn und ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der heutigen Folge.

00:00:07: Die meisten Menschen erfahren erst im Laufe ihres Lebens eine Behinderung oder haben Unterstützungsbedarf.

00:00:14: Das Statistische Bundesamt sagt, dass fast 95 Prozent der Behinderungen erst im Laufe des Lebens erlebt werden.

00:00:21: Durch Krankheit, Unfall oder andere Ursachen.

00:00:24: Das heißt, wir wissen auch alle nicht, ob es uns irgendwann mal treffen wird.

00:00:28: Mit steigendem Alter steigt natürlich auch das Risiko, dass wir möglicherweise einen Schlaganfall oder wie auch immer eine Behinderung erleben.

00:00:37: Die wenigsten Behinderungen sind angeboren.

00:00:40: Heute, am 15. Mai, ist der Global Accessibility Awareness Day.

00:00:45: Ein Tag, der dazu anregen soll, über digitale Barrierefreiheit und Inklusion,

00:00:49: sowie über die mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderung und Beeinträchtigungen zu sprechen, nachzudenken und zu lernen.

00:00:55: Auch wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.

00:00:57: Und diesen Tag zum Anlass nehmen, uns näher damit zu beschäftigen, wie künstliche Intelligenz Barrieren abbauen und Teilhabe ermöglichen und verbessern kann.

00:01:06: In dieser Folge reden wir deswegen darüber, was mit KI-basierten Assistenztechnologien schon heute konkret möglich ist,

00:01:13: welche Herausforderungen beim Einsatz dieser Technologien zu meistern sind und wo man sich weiter zu dem Thema informieren kann.

00:01:19: Dazu habe ich zwei Experten für KI und Inklusion am Arbeitsplatz aus dem Forschungsprojekt KI-KOMPASS inklusiv eingeladen.

00:01:26: Meine Gäste sind Barbara Lindner und Jürgen Litz.

00:01:36: Hallo Barbara, hallo Michael, schön, dass ihr beide da seid.

00:01:40: Ja, hallo Thomas.

00:01:41: Bitte stellt euch die Organisation, für die ihr arbeitet, und das Projekt noch einmal kurz vor.

00:01:46: Ja, hallo auch von meiner Seite. Vielen Dank für die Einladung.

00:01:50: Ich bin einer von, glaube ich, mittlerweile 16 Kolleginnen aus dem Forschungsprojekt,

00:01:55: die sich mit KI und Inklusion und Teilhabe am Arbeitsmarkt beschäftigen.

00:02:01: Ich arbeite seit 2020 für den Bundesverband der Deutschen Berufsförderungswerke

00:02:07: und beschäftige mich seitdem mit KI-gestützten Assistenzsystemen.

00:02:12: Von meinem Studium her bin ich Industriedesigner, also kein klassischer Wissenschaftler.

00:02:17: Ich glaube, das ist auch ein Merkmal unseres Projektes,

00:02:20: dass wir wirklich versuchen, für die Praxis zu entwickeln und zu forschen.

00:02:24: Das heißt, wir sind schon sehr praxisnah.

00:02:27: Und mich interessiert natürlich sehr stark als Industriedesigner die Nutzerfreundlichkeit von Produkten

00:02:32: und damit auch die Barrierefreiheit.

00:02:34: Und vor diesem Projekt habe ich ein Assistenzsystem für ein inklusives Bistro am Bodensee entwickelt

00:02:42: und bin über die Schiene dann zu diesem sehr schönen Forschungsprojekt gelangt.

00:02:47: Mein Name ist Barbara Lippa.

00:02:49: Ich bin von Haus aus Kommunikationswissenschaftlerin, einerseits, andererseits Technikerin.

00:02:54: Schrägstrich Organisationssoziologin.

00:02:56: Bin beim Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke mittlerweile seit 2019.

00:03:02: Damals zum Vorgängerprojekt des KI-Kompass-Inklusivprojekts dazugekommen.

00:03:07: Und ja, bisher dabei geblieben.

00:03:09: Das Thema ist nach wie vor sehr, sehr spannend.

00:03:13: Mein Schwerpunkt im Projekt bildet ein sogenanntes Co-Creation-Praxislabor,

00:03:19: bei dem es darum geht zu schauen,

00:03:22: welche Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse zu einer guten Versorgung von Menschen mit Behinderungen

00:03:28: mit diesen KI-gestützten Assistenzsystemen, wie wir sie nennen, führen zukünftig.

00:03:35: Und da bin ich mit einer Gruppe von Akteuren dabei, uns eben diese Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse,

00:03:43: das ist jetzt erstmal sehr abstrakt, aber das wird nachher nochmal etwas genauer erläutert, was es damit auf sich hat.

00:03:48: Da gucken wir einfach, wie wir gemeinsam...

00:03:51: welche Empfehlungen wir geben können diesbezüglich, wie das zukünftig eben gestaltet sein muss.

00:03:57: Und zu den Akteuren gehören beispielsweise Kostenträger wie die Deutsche Rentenversicherung

00:04:02: oder die Bundesagentur für Arbeit oder die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung.

00:04:06: Das sind also Institutionen, die dann zukünftig diese Systeme ja auch fördern sollen.

00:04:11: Und auf der anderen Seite gibt es eine Menge von Menschen, die Menschen mit Behinderungen,

00:04:16: aber auch Unternehmen auch beraten hinsichtlich des Einsatzes dieser KI-Assistenzsysteme.

00:04:20: Und das sind für uns sehr, sehr wichtige Stakeholder.

00:04:24: Die wollen wir jetzt hier auch frühzeitig einbinden und das ist das, was ich jetzt hier tue.

00:04:29: Auf der anderen Seite bin ich auch das Bindeglied zwischen den Praxislaboren, also unserem Teilprojekt

00:04:35: und dem inklusiven Begleitgremium im Projekt, das von unserem Praxispartner BAG WFBM,

00:04:42: also der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen, verantwortet wird.

00:04:47: Da sind wir jetzt auch schon beim Projekt.

00:04:49: Da muss man auch noch ein paar Worte dazu verlieren, weil es ist ein KI-Kompass inklusiv.

00:04:55: Das ist erst mal nicht selbsteklärend, was wir tun.

00:04:59: Wir sind ein relativ großes Projekt mit vier Verbundpartnern.

00:05:03: Da ist das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz mit an Bord.

00:05:07: Wir, der Bundesverband der Berufsförderungswerke.

00:05:11: Berufsförderungswerke sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation.

00:05:13: Das muss man vielleicht hier kurz zur Unterscheidung der anderen Praxispartner sagen,

00:05:18: die sich Menschen mit Behinderungen beschäftigen.

00:05:19: Menschen, die bereits im Berufsleben standen und aus Krankheitsgründen oder Unfallgründen

00:05:24: eben aus dem Berufsleben rausfallen.

00:05:26: Und die versuchen wir in den Berufsförderungswerken wieder arbeitsmarktfit zu machen.

00:05:32: Mit Umschulungsmaßnahmen oder Anpassungsqualifizierungen, wenn jemand erblindet ist oder dergleichen.

00:05:38: Ein weiterer Partner ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke.

00:05:43: Das ist ein Pendant zu den Berufsförderungswerken.

00:05:46: Da geht es aber um Menschen,

00:05:47: die erst in der Erstausbildung sind, also um junge Erwachsene.

00:05:51: Da ist die Zielsetzung, diese jungen Erwachsenen dann ins Berufsleben zu begleiten.

00:05:57: Und der letzte Partner ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.

00:06:03: Ich glaube, Werkstätten ist das, was die meisten dann doch irgendwo kennen.

00:06:07: Da sind eben Menschen, die noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können.

00:06:12: Auch ihnen soll die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden.

00:06:15: Und deswegen gibt es ja auch die Werkstätten.

00:06:18: Das sind also unsere Projektpartner und alle.

00:06:21: Gemeinsam arbeiten wir am Aufbau eines Kompetenzzentrums für KI und Inklusion in der Arbeitswelt.

00:06:27: Hier haben wir drei Säulen, wie wir sie nennen.

00:06:30: Das DFKI führt das Monitoring durch.

00:06:33: Das Monitoring guckt eben, welche Technologien gibt es auf dem Markt oder welche sind in Entwicklung.

00:06:39: Die führen Machbarkeitsanalysen für die anderen Säulen durch.

00:06:42: Die zweite Säule wäre die Beratungssäule.

00:06:45: Da geht es um die Entwicklung und das Angebot an Beratung, Information, Schulungen für die verschiedenen Akteure.

00:06:54: Und allgemein auch um die Vernetzung untereinander.

00:06:57: Damit man auch weiß, wen als Ansprechpartner dann ansteuern kann.

00:07:02: Kompass wirklich so als Wegfindehilfe?

00:07:05: Ja, kann man so verstehen, würde ich sagen.

00:07:07: Deswegen passt das ja auch von der Bezeichnung her ganz gut.

00:07:10: Weil wir doch versuchen, alle durch dieses wirklich sehr komplexe Gefüge,

00:07:15: an diesen verschiedenen Akteuren und den verschiedenen Funktionen und Rollen da durchzulotsen.

00:07:22: Und wir, also Michael und ich, sind Vertreterinnen der dritten Säule, der sogenannten Praxislabore.

00:07:29: Wir gehen da sehr praktisch an diese Thematik mit ran und versuchen einerseits konkrete Technologien zu erproben,

00:07:37: in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und gleichzeitig in Unternehmen.

00:07:42: Einerseits.

00:07:43: Auf der anderen Seite gehen wir auch...

00:07:45: auf KI-Hersteller, KI-Entwickler, KI-Forschende zu und versuchen mit denen gemeinsam uns anzuschauen,

00:07:52: wie man Menschen mit Behinderungen möglichst frühzeitig in die Prozesse der Entwicklung,

00:07:56: der Anpassung von KI-Technologien einbinden kann.

00:07:59: Und der dritte Bereich ist der, den ich schon erwähnt habe, mit den Praxislabor-Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozessen.

00:08:05: Da geht es klar um rechtlich regulatorische Rahmenbedingungen des Einsatzes von KI,

00:08:10: um Anforderungen, die sich aus dem Sozialgesetzbuch IX ergeben,

00:08:15: das ist ja das Gesetzbuch, was sich mit der beruflichen Rehabilitation befasst,

00:08:19: aber auch um organisatorische Rahmenbedingungen in Unternehmen, die KI-Systeme einführen wollen,

00:08:26: auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie ist die Akzeptanz solcher Systeme, wer kennt die überhaupt.

00:08:31: All das sind so Thematiken, die eben da ganz stark behandelt werden,

00:08:36: aber auch die Strukturen der beruflichen Rehabilitation.

00:08:39: Es gibt ja verschiedene Kostenträger, die teilen sich die Zuständigkeiten.

00:08:43: Oder auch Prozesse, also wer berät wann zu welchem Zeitpunkt, wer muss zu welchem Zeitpunkt welchen Antrag wo stellen.

00:08:50: Und das ist jetzt auf den ersten Blick sehr spröde, aber es ist eigentlich schon sehr sehr spannend

00:08:56: und vor allem meine Leidenschaft, das alles so zu vernetzen, dann in dem Praxislabor,

00:09:01: dass am Ende alle Rädchen zusammen ein Ganzes ergeben und das alles dann irgendwie funktioniert.

00:09:07: Genau, das tun wir hier im Projekt. Wir haben noch so Querschnittsthemen wie Ethik und Recht,

00:09:12: also insgesamt insbesondere Daten, Datenschutz, Datensouveränität.

00:09:17: Das spielt überall eine Rolle und auch Partizipation bei Barrierefreiheit.

00:09:21: All dessen, was wir tun, ist uns auch sehr wichtig.

00:09:24: Und das Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus dem Ausgleichsfonds gefördert.

00:09:30: Danke schon mal für diesen Überblick über das Projekt und eure Organisation.

00:09:34: Du hast jetzt das Stichwort Barrierefreiheit gerade nochmal gebracht.

00:09:37: Lass uns damit anfangen. Warum sollte man sich, warum sollte sich jeder mit Barrierefreiheit beschäftigen?

00:09:42: Na, ich glaube, zunächst einmal sollte jeder von uns ein ganz egoistisches Eigeninteresse daran haben,

00:09:49: dass Produkte oder unsere Umwelt, unsere Umgebung barrierefrei ist,

00:09:53: weil die meisten Menschen erfahren erst im Laufe ihres Lebens eine Behinderung oder haben Unterstützungsbedarf.

00:10:01: Das Statistische Bundesamt sagt, dass fast 95 Prozent der Behinderungen erst im Laufe des Lebens erlebt werden

00:10:08: durch Krankheit, Unfall oder andere Ursachen.

00:10:11: Das heißt, wir wissen auch alle nicht, ob es uns irgendwann mal treffen wird.

00:10:15: Mit steigendem Alter steigt natürlich auch das Risiko, dass wir möglicherweise einen Schlaganfall

00:10:21: oder wie auch immer eine Behinderung erleben.

00:10:25: Das ist so der erste egoistische sozusagen Ansatz, den man haben kann.

00:10:29: Nochmal 95 Prozent, 95 Prozent der Behinderungen und Beeinträchtigungen werden im Laufe des Lebens erst erworben, nicht angeboren.

00:10:39: Das ist für mich eine Erinnerung.

00:10:41: Das ist eine sehr, sehr, sehr erraschende Zahl gewesen.

00:10:43: Hatte ich so gar nicht gewusst und auch nicht angenommen.

00:10:46: Ja, die wenigsten Behinderungen sind angeboren.

00:10:49: Ansonsten profitieren wir alle von den Bemühungen um Barrierefreiheit.

00:10:53: Es geht eben, so wie ich vorhin auch schon mal gesagt habe, so mein Interesse Richtung Nutzerfreundlichkeit von Produkten.

00:10:59: Ich finde es super spannend, wie unterschiedlich nutzerfreundlich Produkte, auch KI-Produkte gestaltet sein können.

00:11:04: Wir merken, dass ChatGPT immer komplexer wird aufgrund der Möglichkeiten, die sich da entwickelt haben.

00:11:11: Wo natürlich auch die Nutzerfreundlichkeit darunter leidet.

00:11:14: Das ist ein großes Thema, ob man jetzt eine Behinderung hat oder nicht in der Anwendung von Produkten.

00:11:19: Es gibt aber auch viele, viele Innovationen, die ihren Ursprung als Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen hatten,

00:11:25: die wir heute alle, ob mit oder ohne Behinderung, wirklich in der breiten Masse verwenden.

00:11:31: Zum Beispiel die Schreibmaschine wurde, ich glaube, Anfang 1800 die erste funktionierende Schreibmaschine in Italien für eine erblindete Frau hergestellt,

00:11:40: die dann mithilfe dieser Schreibmaschine selbstständig Briefe schreiben konnte, korrespondieren konnte

00:11:47: und dann nicht mehr darauf angewiesen war, Texte zu diktieren und möglicherweise vielleicht persönliche Informationen, Privates mit anderen teilen zu müssen,

00:11:57: sondern direkt Briefe schreiben zu können.

00:11:59: Oder die elektrische Zahnbürste in den 50er Jahren jetzt, des 20. Jahrhunderts, wurde in der Schweiz erfunden und auch zunächst für Menschen mit Bewegungseinschränkungen war die gedacht,

00:12:09: um sie beim Zähneputzen zu unterstützen.

00:12:11: Oder als drittes Beispiel auch Hörbücher. 1954 wurde die Deutsche Blindenhörbücherei gegründet,

00:12:18: die speziell eben für blinde Menschen dann Texte, Literatur aufgenommen hat und dann eben weltweit verschickt hat an blinde Menschen,

00:12:29: damit sie Zugang haben zu Literatur.

00:12:32: Und heute sind Hörbücher ein riesiges Geschäft und gerne hört man mal im Auto beim Fahren ein Hörbuch

00:12:38: oder in anderen Situationen, wo man gerade mal nicht lesen kann oder nicht selber lesen möchte.

00:12:44: Von daher gibt es viele Gründe, sich mit dem Thema zu beschäftigen aus egoistischer Sicht oder auch aus unternehmerischer Sicht, weil da viel Potenzial drinsteckt.

00:12:54: Und das nicht nur, weil jetzt eine Rechtsverpflichtung ist mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, was ja jetzt dieses Jahr auch nochmal scharf geschaltet wird.

00:13:02: Genau. Und auch noch viele andere rechtliche Vorgaben für die öffentliche Verwaltung.

00:13:07: Zum Beispiel die Barrierefreie IT-Verordnung oder schon allein im Grundgesetz Artikel 3 sagt, dass Menschen mit Behinderung nicht diskriminiert werden dürfen.

00:13:17: Also genau. Aber diese rechtlichen Regularien, die möchte ich jetzt mal außen vor lassen.

00:13:23: Ich glaube, das ist nochmal ein anderes Thema.

00:13:26: Beim Thema Barrierefreiheit denken zunächst viele Menschen erstmal an blinde und Gehörlöser Menschen.

00:13:31: Aber was gibt es da noch und wobei kann KI noch helfen, Barrieren abzubauen?

00:13:37: Ja, das ist wahrscheinlich so, weil es in dem Bereich Wahrnehmen und Kommunizieren, das ist ja die Art der Unterstützung für Menschen mit sensorischen Einschränkungen, schon sehr, sehr viele Möglichkeiten gibt.

00:13:50: Und auch Möglichkeiten, die wir ja alle auch von unseren Smartphones letztendlich kennen.

00:13:54: So etwas wie Text-to-Speech oder Speech-to-Text-Anwendungen, also die Übersetzung von Sprache in Text, Text in Sprache, Spracheingabe, Sprachausgabe.

00:14:03: Das ist ja alles, was wir im Prinzip auf dem Smartphone nutzen.

00:14:07: Das kann ja auch schon sehr viel nutzen und auch was Menschen mit gerade Hörbehinderungen oder Sehbehinderungen sehr, sehr nützlich sein kann.

00:14:16: Und das hat auch unser Monitoring, was wir im Projekt durchführen, zutage gefördert.

00:14:22: Zu sagen, dass es in diesem Bereich ja wirklich schon sehr, sehr viel gibt im Vergleich zu anderen Bereichen.

00:14:28: Wenn man sich anschaut, wie viele der gefundenen Technologien eben Sehbehinderung und Hörbehinderung adressieren.

00:14:36: Dann sind es ja bei Sehbehinderungen ja rund ein Drittel aller gefundenen Technologien.

00:14:41: Und mit gefundenen Technologien, da war der Stand Oktober 24, dass wir 151 solcher Technologien gefunden und in unserer Datenbank aufgelistet haben.

00:14:52: Und davon, wie gesagt, fast ein Drittel richtet sich an Menschen mit Sehbehinderungen.

00:14:58: Weitere 19 Technologien dann an Menschen mit Hörbehinderungen.

00:15:02: Das ist auch ein relativ großer Anteil.

00:15:04: Und da sind tatsächlich auch die Technologien, die dann auch schon als Produkte verfügbar sind.

00:15:11: Aber selbstverständlich ist die Bandbreite ja viel, viel größer.

00:15:15: Also wenn man sich die Einsatzmöglichkeiten von KI-gestützten Assistenzsystemen, wie wir sie nennen, anguckt.

00:15:20: Dann geht es da auch darum, direkt in Arbeitsprozessen zu unterstützen.

00:15:26: Zum Beispiel indem Arbeit strukturiert wird, indem angeleitet wird von KI bei Arbeitsschritten.

00:15:35: Solche Dinge sind auch möglich.

00:15:36: Oder auch psychische Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die beispielsweise dabei angeleitet werden,

00:15:44: Stress zu reduzieren, um dadurch in akute Krisensituationen gar nicht erst reinzukommen oder sich in solchen besser zurechtzufinden.

00:15:52: Das gibt es schon.

00:15:53: Oder Tagesstrukturierung für Menschen mit Lernschwierigkeiten.

00:15:57: Die Steuerung von Geräten, von Computern durch Interpretation von Augen.

00:16:04: Bewegungen von Mimik, von Gestik.

00:16:06: All das ist möglich.

00:16:08: Auf der Seite der körperlichen Einschränkungen gibt es ja die Möglichkeit der Mensch-Roboter-Kollaboration.

00:16:14: Das kennen ja eigentlich auch alle.

00:16:16: Oder ein ganz banales Beispiel, was auch alle kennen.

00:16:20: Zumindest alle, die eine Sprachlern-App haben.

00:16:25: Individuelle Anpassung an den Lernstand.

00:16:28: Ja, das ist auch möglich.

00:16:30: Und das unterstützt natürlich auch sehr, sehr viele Menschen.

00:16:33: Die sich da nicht so gut zurechtfinden im Lernen.

00:16:37: Also, dass ihnen sozusagen auch passend zu ihrem Lernstand auch Dinge angeboten werden.

00:16:42: Da steckt ja überall KI dahinter.

00:16:44: Und vielleicht an der Stelle nochmal ganz kurz.

00:16:47: Wenn wir von KI-gestützten Assistenzsystemen reden, ist ja die Bandbreite wirklich sehr hoch.

00:16:53: Weil ja im Prinzip ja alles digitale Systeme sind, die in irgendeiner Art und Weise KI-Komponenten beinhalten.

00:17:00: Die Menschen auf...

00:17:01: Ja, sei es physischer, psychischer, sensorischer oder auch kognitiver Ebene unterstützen.

00:17:07: Beim Arbeiten, beim Lernen.

00:17:09: Da ist ja mittlerweile alles möglich.

00:17:13: Es ist nur so, dass gerade die Menschen mit eben Lernbehinderungen, psychischen Behinderungen...

00:17:20: Da gibt es noch nicht so viele Technologien.

00:17:24: Und wenn es sie gibt, sind sie im Moment noch im Entwicklungsstadium oftmals.

00:17:29: Und eben keine Produkte, die man am Markt erwerben kann.

00:17:32: Das ist ja auch irgendwo ein Spiegelbild dessen, wie Behinderungen wahrgenommen werden.

00:17:36: Etwas, was man sofort sieht.

00:17:38: Also jemand, das jemand nicht sehen kann, jemand nicht hören kann.

00:17:41: Jemand bewegungseingeschränkt ist.

00:17:43: Das sieht man, das nimmt man leicht wahr.

00:17:46: Aber kognitive Einschränkungen, Lernschwierigkeiten, Lernbehinderung...

00:17:49: Das ist ja etwas, was... naja, wird auch so von der Gesellschaft ein bisschen weniger wahrgenommen.

00:17:55: Ja, das ist richtig.

00:17:56: Und genau.

00:17:57: Also es gibt eine große Zielgruppe auch von Menschen mit Seheinschränkungen, die auch...

00:18:02: Die sind ja im Prinzip, wie soll ich sagen, auch sehr gute Fürsprecher für sich selbst.

00:18:08: Also die sind auch sehr engagiert.

00:18:09: Die treiben natürlich auch die Entwicklungen mit voran.

00:18:13: Ich denke, bei Menschen mit kognitiven und Lernschwierigkeiten ist es...

00:18:18: Es braucht eines Anstoßes von außen, dass eben in diesem Bereich noch mehr geforscht und entwickelt wird.

00:18:25: Den Bedarf gibt es.

00:18:26: Und es gibt Möglichkeiten, da zu unterstützen mittlerweile.

00:18:31: KI macht es möglich.

00:18:32: Aber dennoch, glaube ich, sind wir hier noch relativ am Anfang der Entwicklung.

00:18:36: Um jetzt das Ganze vielleicht noch ein bisschen plastischer zu machen, anschaulicher zu machen.

00:18:40: Welche Beispiele könnt ihr nennen für Technologien, für Projekte, die mithilfe von KI-Ansätzen Barrieren abbauen?

00:18:48: Haben da schon zum Beispiel die großen Sprachmodelle, haben die schon diese Projektetechnologien verändert?

00:18:52: Ja, auf jeden Fall.

00:18:53: Also die Entwicklung der Sprachmodelle und insbesondere multimodalen KI-Modelle in den letzten Jahren,

00:19:00: die haben ganz neue Möglichkeiten für die Teilhabe und auch Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderungen geschaffen.

00:19:07: Es gibt Technologien wie zum Beispiel die App Be My Eyes.

00:19:10: Das ist eine App für blinde Menschen.

00:19:13: Die wurde ursprünglich so entwickelt als Videotelefonie-App, sodass ein blinder Mensch einen Freiwilligen anrufen konnte.

00:19:21: Es gibt eine riesige Community von Freiwilligen, die sich dafür zur Verfügung gestellt haben,

00:19:26: sodass man, wenn man etwas im Umfeld nicht wahrnehmen konnte, sich zum Beispiel etwas vorlesen lassen wollte,

00:19:34: man einfach einen Freiwilligen per Videotelefonie anrufen konnte und sich dann eben erklären lassen könnte,

00:19:40: was habe ich gerade vor mir, einen Text vorlesen lassen kann zum Beispiel oder eine Umgebung beschreiben lassen kann.

00:19:48: So war die App ursprünglich entwickelt worden.

00:19:51: Dann kam die generative KI, sage ich mal.

00:19:54: Und OpenAI ist, so wie ich es verstanden habe, von sich aus auf Be My Eyes zugegangen und hat gesagt,

00:20:01: ihr wollt ja nicht als Charity-Projekt unsere KI nutzen, um diese Beschreibung von Umfeld, Text und so weiter

00:20:08: über eine KI direkt auf dem Smartphone anbieten zu können.

00:20:12: Und damit haben die dann eben dieses KI-Tool implementiert in die App.

00:20:17: Und jetzt sind die Menschen eben nicht mehr angewiesen,

00:20:20: fremde Menschen anzurufen.

00:20:22: Das heißt, gerade wenn es darum geht, im privaten Umfeld persönliche Informationen beschreiben zu lassen

00:20:28: oder einen persönlichen Brief eben vorlesen zu lassen,

00:20:31: können die das einfach mit Hilfe ihrer Handy-Kamera jetzt tun und müssen eben nicht fremde Menschen anrufen.

00:20:38: Ist natürlich nicht immer 100% korrekt.

00:20:41: Auch dieses System halluziniert oder kann möglicherweise Dinge falsch beschreiben.

00:20:46: Das heißt, die NutzerInnen müssen lernen,

00:20:49: mit solchen Systemen umzugehen, einschätzen zu können.

00:20:52: Finde ich mich jetzt gerade in einer Situation, in der es wichtig ist,

00:20:56: eine hundertprozentige Sicherheit zu haben, was ich gerade vor mir habe?

00:21:01: Oder kann ich mit einer Genauigkeit von 80% zum Beispiel leben,

00:21:05: was die Beschreibung des Textes oder des Umfelds angeht?

00:21:09: Und wie möchte ich dann die Daten oder das Ergebnis dieser KI-Analyse weiterverwenden?

00:21:15: Das heißt, das liegt dann schon auch am Nutzer, dass er lernen muss, damit umzugehen.

00:21:19: Also ich kann mir vorstellen, gerade bei einer Umfeldbeschreibung kann es ja auch durchaus Gefahren sein,

00:21:24: die übersehen werden von der KI, die aber am Menschen sofort offensichtlich sind,

00:21:28: wo er den Blinden eben halt oder den Sehbeeinträchtigten auch darauf hinweisen kann.

00:21:32: Und da kann es ja eben auch ebenfalls zu Unfällen kommen.

00:21:35: Deswegen ist es ja nicht nur einfach, es ist jetzt eine falsche Farbe vorgelesen worden,

00:21:39: sondern es ist ja tatsächlich auch ein gewisses Gefahrenpotenzial bei Fehlern.

00:21:43: Genau. Das ist eben dann auch ein Lernprozess, einschätzen zu können,

00:21:48: wann nutze ich welches Tool?

00:21:50: Und im Fall von dieser App ist es tatsächlich so, dass die Videotelefonie weiterhin möglich ist.

00:21:55: Das heißt, ich habe eben die Wahl, nutze ich jetzt die KI-Funktion oder möchte ich einen Freiwilligen anrufen?

00:22:02: Und das ist eine Form von Selbstbestimmtheit, die sehr, sehr wichtig ist.

00:22:06: Eben selber aussuchen zu können, möchte ich mich jetzt in dem Fall auf die KI verlassen müssen

00:22:11: oder möchte ich jetzt einen Menschen anrufen?

00:22:14: Da finde ich das ganz interessant.

00:22:17: Wir haben diese Technologie auch in unseren Technologiedemonstrationen als eine der Technologien,

00:22:22: die wir den Menschen zeigen oder Interessierten zeigen und die sie ausprobieren können.

00:22:27: Und da gibt es so kritische Stimmen von Menschen mit Sehbehinderungen,

00:22:33: die sich jetzt durch die neuen Sprachmodelle so ein bisschen bevormundet fühlen.

00:22:37: Wenn die KI dann auch manchmal sich dazu hinreißen lässt, auch Tipps zu geben, wie sie dann verfahren sollen,

00:22:44: das mögen die nicht so gerne.

00:22:46: Also da hatte ich schon zwei, drei Anmerkungen diesbezüglich.

00:22:50: Und eine interessante Sache ist auch, also man merkt ja auch,

00:22:53: wie die Menschen auch wirklich die KI auf die Probe stellen in diesen Demonstrationen oder bei den Probungen.

00:22:59: Die lassen sich von der KI erklären, ob die Schnürsenkel zu sind, ob irgendwo Kabel auch rumliegen.

00:23:05: Und da merkt man eben das, was Michael sagte, da darf man sich auch nicht darauf verlassen.

00:23:11: Die KI macht dann noch Probleme, sage ich mal,

00:23:14: oder hat Probleme, die Situation richtig einzuschätzen.

00:23:17: Gerade wenn man sich vorstellt, als blinder Mensch versucht man auch, den richtigen Bildausschnitt zu wählen.

00:23:23: Das ist ja, wie will man das machen?

00:23:25: Also so eine Restsehstärke muss vielleicht vorhanden sein, um das auch gut nutzen zu können.

00:23:30: Oder man wählt eben Nutzungsarten, die unverfänglicher sind,

00:23:33: wie wenn man sich Bilder, die man zugeschickt bekommen hat, erklären lässt oder eben solche Anwendungsmöglichkeiten.

00:23:40: Also ich finde es wichtig, dass die KI in dem Moment eben halt auch eine Entlastung schafft für die Freiwilligen.

00:23:44: Das heißt, wenn es zum Beispiel in der Nacht ist oder sowas,

00:23:47: dass man dann vielleicht nicht unbedingt jemandem jetzt aus dem Bett klingelt.

00:23:49: Und wenn es halt auch nicht so wichtig ist, aber wichtig genug, um es halt wissen zu wollen, was da zu sehen wäre.

00:23:56: Da kann zum Beispiel die KI auch helfen, das Freiwilligenchor zu entlasten.

00:23:59: Ja, genau. Also man kann sich diese App kostenlos im App Store runterladen.

00:24:04: Also ich empfehle es jedem, sich das mal anzuschauen, weil es ist wirklich beeindruckend,

00:24:09: wie gut diese Systeme mittlerweile sind.

00:24:12: Schön ist jetzt bei dieser App auch,

00:24:13: dass man nicht angewiesen ist auf das sozusagen generierte Ergebnis,

00:24:18: sondern man kann eine Chatfunktion dann anschließend nutzen und nochmal Rückfragen stellen zu einem Bildausschnitt.

00:24:25: Oder man kann eben sagen Okay, wenn er mir jetzt beschrieben hat, da liegen fünf Stifte auf dem Tisch,

00:24:30: dann kann man sagen Okay, welcher ist der blaue Stift?

00:24:32: Zum Beispiel solche Dinge kann man dann nochmal nachfragen.

00:24:36: Haben wir in den Technologiedemonstrationen auch das Feedback bekommen,

00:24:40: dass das ein ganz wesentlicher Vorteil ist.

00:24:42: Von diesen Funktionen.

00:24:44: Und man muss auch dazu sagen, wir haben mit einer sehr heterogenen Zielgruppe zu tun.

00:24:49: Das heißt, nicht alle blinde Menschen sind gleich.

00:24:51: Es gibt affinere Menschen zum Thema KI.

00:24:55: Es gibt weniger affine Menschen zum Thema KI.

00:24:58: Und das heißt, es gibt Menschen eben, so wie Barbara auch schon gesagt hat,

00:25:02: die voll blind sind, Menschen, die können noch in Teilen sehen.

00:25:07: Und das heißt, diese Heterogenität führt dazu, dass wir nie sagen können,

00:25:12: dieses Tool ist gut oder dieses Tool ist schlecht.

00:25:16: Wir haben gerade im Kontext Arbeit auch die Situation, dass jeder Arbeitsplatz anders ist.

00:25:21: Ein Gärtner hat andere Anforderungen an seine Arbeit als ein Mensch,

00:25:27: der im Marketing in einem großen Unternehmen arbeitet.

00:25:29: Diese Vielzahl von Fällen führt dazu, dass jeder Mensch für sich individuell entscheiden können muss,

00:25:36: ob jetzt ein Hilfsmittel für ihn geeignet ist oder nicht.

00:25:40: Das muss man immer dazu sagen.

00:25:42: Auch ein anderes Beispiel, zum Beispiel die Physiotherapeutin,

00:25:46: die im Laufe ihres Lebens erblindet.

00:25:50: Sie kann ihrer Kerntätigkeit, die Arbeit mit den Händen zum Beispiel, weiter ausführen.

00:25:55: Da hat sie keinen Unterstützungsbedarf, obwohl sie eine Behinderung hat.

00:26:00: Sie hat aber möglicherweise einen Unterstützungsbedarf beim Lesen von Anamnesebögen

00:26:05: oder Rezepten oder Überweisungen und benötigt Unterstützung bei administrativen Tätigkeiten.

00:26:12: Vielleicht auch Texte schreiben, Texte eingeben.

00:26:16: Und da kann natürlich KI perspektivisch auch eine große Hilfe sein,

00:26:21: weil man, bisher wird das so gelöst, dass man eine persönliche Assistenz beschäftigen kann,

00:26:27: die einen dann bei solchen Tätigkeiten unterstützt.

00:26:31: Und bedeutet allerdings, dass man im Krankheitsfall der Assistenz oder im Urlaubsfall der Assistenz

00:26:38: muss man sich abstimmen oder Lösungen finden, Ersatz finden.

00:26:42: Und mit Hilfe von KI hat man natürlich 24-7 da eine Unterstützungsleistung,

00:26:48: auf die man immer zurückgreifen kann.

00:26:50: Das ist eine sehr interessante Perspektive für blinde Menschen.

00:26:55: Allerdings muss man auch da wieder sagen, bei einem Physiotherapeuten sprechen wir von Menschen,

00:27:01: die mit personenbezogenen Daten arbeiten.

00:27:04: Gerade in der Therapie auch mit Gesundheitsdaten, die ja von der DSGVO besonders geschützt sind.

00:27:10: Und dann auch noch vielleicht mit Berufsgeheimnissen, ärztliche Schweigepflicht.

00:27:15: Da kann ich natürlich nicht irgendeine KI verwenden, die jetzt die Anamnesebögen auf irgendeinen Cloud-Server schickt,

00:27:23: die möglicherweise dann die Daten sogar noch weiterverwendet zum Training der KI.

00:27:27: Da ist natürlich interessant perspektivisch, wie wäre es, wenn man gute KI-Modelle hat,

00:27:33: die lokal auf einem PC betrieben werden können.

00:27:36: Und da ist die technologische Entwicklung natürlich sehr spannend,

00:27:39: und wo da die Reise hingeht, sodass wir halt eben mehr Datenschutz und Datensicherheit haben in Zukunft.

00:27:46: Das ist so ein weiteres Beispiel.

00:27:48: Du hattest auch im Vorgespräch, glaube ich, über die Goblin Tools was erzählt. Was ist das?

00:27:54: Genau, Goblin Tools, das ist eine Webseite, goblin.tools,

00:27:58: die von einem, ich glaube, belgischen Entwickler gestaltet wurde.

00:28:02: Und die gibt es auch als App im App Store. Die Webseite ist kostenlos.

00:28:06: Die App kostet, glaube ich, zwei Euro oder so.

00:28:09: Und das ist eine Reihe von kleinen KI-Tools, die sozusagen Texte verarbeiten kann.

00:28:17: Und die Basis dafür ist auch ein KI-Modell von OpenAI.

00:28:22: Und der Entwickler hat im Prinzip die API genutzt, um für Menschen mit Behinderungen

00:28:28: eine sehr reduzierte, sehr einfache grafische Oberfläche zu gestalten,

00:28:33: die auch screenreader-kompatibel ist, sodass eben auch Menschen mit Sehbehinderungen,

00:28:39: Seheinschränkungen diese nutzen können.

00:28:41: Und da gibt es zum Beispiel als ein KI-Tool den Formalizer.

00:28:45: Und da kann ich unstrukturierten Text oder grammatikalisch schlechten Text vielleicht eingeben

00:28:51: und daraus zum Beispiel eine förmliche E-Mail generieren, die ich dann verschicken kann,

00:28:58: sodass ich eben selbst, wenn ich die deutsche Grammatik und Rechtschreibung nicht gut beherrsche

00:29:03: aufgrund einer Lernbehinderung oder anderer Behinderung, so kann ich dann eben so kommunizieren,

00:29:09: ohne mich gleich outen zu müssen, dass ich halt eben Probleme habe, Texte zu formulieren.

00:29:15: Und das ist für viele Menschen eine große Hilfe.

00:29:18: Und zum Beispiel auch für gehörlose Menschen ist das eine große Hilfe.

00:29:23: Das war etwas im Vorgespräch, wo ich wirklich erstaunt war, weil ich dachte jetzt gut,

00:29:27: gehörlose Menschen, also der primäre Kanal wird jetzt die Schriftsprache sein.

00:29:31: Aber du hattest es ja sehr gut begründet darüber, dass die Gebärdensprache die erste Sprache eigentlich

00:29:37: der meisten Gehörlosen ist.

00:29:39: Und erzähl mal selber, warum ist das jetzt was anderes?

00:29:44: Ja, das ist ein total spannendes Thema.

00:29:46: Barbara hat vorhin kurz die Demonstrationsformate angesprochen, die wir auch machen.

00:29:51: Das heißt, wir zeigen verschiedene KI-Tools in Workshops und diskutieren die sowohl mit Fachkräften

00:29:58: aus der beruflichen Reha als auch mit den Betroffenen selbst.

00:30:02: Und da haben wir eben Goblin-Tools auch vorgestellt und haben das Feedback bekommen,

00:30:08: eben ja, für Gehörlose ist das eine tolle Sache.

00:30:11: Und wir waren auch, genauso wie du, erstmal überrascht und dachten auch,

00:30:14: na ja, als Gehörloser wird doch eben Schriftsprache das Kommunikationsmittel sein.

00:30:20: Und da wurde uns erklärt, was ja, wenn man darüber nachdenkt, total naheliegend ist.

00:30:26: Ich habe eine Tochter, die ist jetzt in der ersten Klasse.

00:30:29: Die ist mit der deutschen Sprache aufgewachsen, hat seit Geburt immer die deutsche Grammatik intuitiv durch Hören gelernt.

00:30:38: Und hat jetzt in der ersten Klasse natürlich die Möglichkeit,

00:30:42: Schriftsprache einfach zu lernen, indem sie Laute übersetzt in Buchstaben.

00:30:47: Und das ist eine ganz, ganz wichtige Voraussetzung, um dann später eben Grammatik zu lernen und so weiter.

00:30:55: Aber in ihrer Zeit vor der Grundschule hat ja nie jemand Grammatik erklärt.

00:31:01: Und so ist das, kann man sich das dann auch erklären, dass Gehörlose Menschen,

00:31:05: die eben nicht mit der Perspektive, die sie haben,

00:31:08: permanenten Lautsprache aufwachsen, sondern als sozusagen Muttersprache Gebärde lernen,

00:31:14: dass die, wenn die plötzlich in die Schule kommen und schreiben lernen sollen,

00:31:17: dass das für die im Prinzip ist, wie wenn wir plötzlich chinesische Schriftzeichen und chinesische Sprache lernen müssen.

00:31:26: Und dadurch, dass sie eben nicht einfach Laute übersetzen können in Buchstaben,

00:31:32: ist das schon mal die erste ganz große Hürde, um korrekte Grammatik und Schreibweisen zu lernen.

00:31:38: Der zweite Punkt ist auch, dass Gebärdensprache ganz anders funktioniert als Lautsprache.

00:31:44: Das bedeutet, Gebärde ist eine Informationsvermittlung im dreidimensionalen Raum.

00:31:50: Ich kann sogar parallel verschiedene Informationen gleichzeitig übermitteln durch Gebärde,

00:31:58: dadurch, dass ich auch meinen ganzen Oberkörper nutze, um Informationen zu vermitteln,

00:32:04: was wir ja in der Lautsprache nicht haben.

00:32:07: Da müssen wir ein Wort nach dem anderen hintereinander setzen.

00:32:11: Das heißt, ich kann teilweise Gebärdeinformationen schneller vermitteln als in der Lautsprache.

00:32:16: Und deswegen haben also etwa 80 Prozent der Menschen, der gehörlosen Menschen,

00:32:22: haben große Probleme mit Schriftsprache, lesen, aber vor allem eben schreiben.

00:32:27: Und das führt dann dazu, dass wir zum Beispiel eben in dieser barrierenfreien IT-Verordnung die Vorgabe haben,

00:32:34: dass sowohl Informationen auf Webseiten von Behörden nicht nur in leichter Sprache,

00:32:40: sondern auch als Gebärdenvideos veröffentlicht werden müssen, weil eben man nicht davon ausgehen kann,

00:32:47: dass ein Gehörloser sich einfach mal alle Texte durchlesen kann.

00:32:50: Dies war der erste Teil meines Interviews mit Michael Tieke-Beernecke und Barbara Lippa

00:32:55: zum Thema KI und Inklusion am Arbeitsplatz.

00:32:58: Im nächsten Teil sprechen Barbara, Michael und ich darüber, wie KI-Assistenzsysteme am Arbeitsplatz eingesetzt werden,

00:33:04: welche Herausforderungen dabei zu meistern sind und wie die Finanzierung dieser Hilfsmittel aussehen kann.

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